Jost Hermand

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Jost Hermand (2010)

Jost Hermand (* 11. April 1930 in Kassel; † 9. Oktober 2021 in Madison, Wisconsin) war ein deutsch-amerikanischer Hochschullehrer für Literaturwissenschaft und Kulturgeschichte und Verfasser zahlreicher literaturhistorischer und kulturpolitischer Schriften.

Leben und Wirken

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Besuch der Volksschule in Berlin kam Hermand 1940 als Zehnjähriger bis 1945 durch die sogenannte Kinderlandverschickung (KLV) nach Polen; die damaligen Erfahrungen in fünf verschiedenen KLV-Lagern bilden die Grundlage seines 1993 erschienenen autobiografisch-reflektierenden Buches Als Pimpf in Polen. Ab 1950 studierte er Literatur, Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte (bei Richard Hamann-Mac Lean) in Marburg mit Promotion bei dem Germanisten Friedrich Sengle im Jahr 1955. Danach ging er mit dem Kunsthistoriker Richard Hamann nach Ostberlin, wo er 1956 seine Mitarbeit an der Buchreihe über Deutsche Kunst und Kultur von der Gründerzeit bis zum Expressionismus begann, die 1959 bis 1975 im Akademie-Verlag erschien. Im Jahr 1957 wurde er aus der DDR ausgewiesen. Da er in Westdeutschland keine Stelle mehr bekam, wanderte er aus.

Ab 1958 lebte er in den USA und war Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und deutsche Kulturgeschichte an der University of Wisconsin-Madison. Zugleich nahm er zahlreiche Gastprofessuren als Literatur-, Musik- und Kunstwissenschaftler an amerikanischen Universitäten (Harvard, Texas) und deutschen Universitäten (Marburg, Kassel, Bremen, Oldenburg, Freiburg, Essen, Potsdam, München, Köln, Gießen, FU-Berlin) wahr. Von 2003 bis 2013 lehrte er als Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Hermand veröffentlichte fast jedes Jahr ein neues Buch zu einer immensen thematischen Bandbreite, angefangen bei Lyrik des Jugendstils (1964) über eine komplette Geschichte der Germanistik (1994) bis hin zum Band Von Teutsch zu Denglisch (2019). Seine thematischen Schwerpunkte und Vorlieben lagen aber hauptsächlich bei Heinrich Heine und Bertolt Brecht.[1]

Er sprach von sich selbst als „marxistisch angehauchter Linksliberaler“.[2] Sein Ansatz, aus einer linken politischen Sicht in der Kultur zwischen progressiven und reaktionären Linien zu unterscheiden, galt einigen Kritikern als vereinfachend und überholt.[3]

Hermand starb im Oktober 2021 im Alter von 91 Jahren in Madison, Wisconsin.[4][5]

Ehrungen und Mitgliedschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Mitgründer und Ehrenmitglied der Hans-Mayer-Gesellschaft
  • Fellow des American Council of Learned Societies
  • Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
  • Senior Fellow des Internationalen Forschungszentrums für Kulturwissenschaften Wien
  • Vilas Research Professor of German, University of Wisconsin-Madison
  • Ehrenmitglied der American Association of Teachers of German
  • Mitgründer der International Brecht Society
  • Hilldale Award for Academic Excellence, University of Wisconsin-Madison
  • Honored Teaching Award, University of Wisconsin-Madison (2009/2010)
  • Mitgründer der North American Heinrich Heine Society
  • Silbermedaille der Gewerkschaft ver.di
  • Dr. phil. h. c. der Universität Kassel

Veröffentlichungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

als Autor:

als Herausgeber oder Mitherausgeber:

Festschriften für Hermand

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Bunte Liste. Hrsg. von Helen Fehervary, Carol Poore und Janet Swaffar. 1990.
  • Responsibility and Commitment. Ethische Postulate der Kulturvermittlung. Hrsg. von Klaus L. Berghahn, Robert C. Holub und Klaus R. Scherpe. 1996.
  • Heroes and Heroism in German Culture. Essays in Honor of Jost Hermand. Hrsg. von Stephen Brockmann und James Steakley. 2001.
  • The Temptation of Hope. From Thomas Morus to Ernst Bloch and Beyond. Hrsg. von Klaus L. Berghahn. 2011.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Peter Richter: Zum Tod von Jost Hermand: Der Unerschrockene. Abgerufen am 22. Dezember 2021.
  2. Peter Richter: Zum Tod von Jost Hermand: Der Unerschrockene. In: Süddeutsche Zeitung. 12. Oktober 2021;.
  3. Klaus Hübner: Back to the Seventies? – Über Jost Hermands durchaus merkwürdige Kulturgeschichte : literaturkritik.de. Abgerufen am 12. Oktober 2021 (deutsch).
  4. Kristopher Imbrigotta, Peter Lang: A Tribute to Jost Hermand, beloved colleague, medium.com, 22. Oktober 2021, abgerufen am 30. Oktober 2021
  5. Defining the Discipline – Vilas Research Professor of German Dead at 91, gns.wisc.edu, 11. Oktober 2021, abgerufen am 30. Oktober 2021 (auch junge Welt, nd, Hans-Mayer-Gesellschaft, ver.di, literaturkritik.de nennen den 9. Oktober, nur die SZ den 10. Oktober)